Ja, so hatte ich mir das eigentlich von Anfang an vorgestellt: Einfach nur Funken ohne nerviges „Einschlafen, Hängenbleiben oder gar Aussteigen“ irgendwelcher Programme oder Schnittstellen am PC. Es war schon eine schöne Wegstrecke, die ich bis zum Erreichen dieses Zustandes zurückgelegt hatte aber es hat sich dann schlussendlich doch gelohnt.
Diese Art des Betriebs eröffnet dem DXer neue Möglichkeiten: Man „sieht“ das jeweilige Band in seiner ganzen Schönheit und erkennt Bandöffnungen sofort; auf 6 Meter beispielsweise ein erheblicher Mehrwert der mir manch schöne Verbindung ins Log brachte noch bevor die Cluster für die Verbreitung der Frequenz und damit den üblichen Hickhack sorgten.
Ist ein Pileup im Gange erkennt man schnell in welchem Bereich denn gerade gehört wird und seinen Anruf entsprechend platzieren. Das funktioniert ausbreitungstechnisch bedingt natürlich nicht auf allen Bändern, auf den Lowbands jedoch absolut zuverlässig. Mein Länderstand auf diesen Bändern verbesserte sich deshalb in kurzer Zeit auch signifikant.
Aber wo Licht ist gibt es bekanntlich auch Schatten: Mich störte das dauernde „Point&Click“, die Funkerei war plötzlich zu PC-lastig. Klar gewöhnt man sich daran beispielsweise das CW-Tempo mit der Maus und einem Schieberegler einzustellen doch ich vermisste einfach das „klassische“ Userinterface sehr.
Exakt zu diesem Zeitpunkt traf ein Paket aus der Lausitz ein, das ein lange bestelltes Zubehörteil für den 6500 enthielt, den legendären Maestro. Es gab wohl Probleme mit einem Bauteilezulieferer die dazu führten, dass über ein Jahr keine Lieferungen erfolgen konnten, sehr ärgerliche Geschichte.
Die Spannung war nach der langen Wartezeit natürlich entsprechend groß: Die Installation verlief flott und problemlos und das Gesamtwerk stellte sich nun so dar:
Der Maestro kommuniziert mit dem 6500 via LAN (Kabel oder WLAN, Unterschiede bei mir nicht feststellbar).
Funkbetrieb ist also auch ohne PC möglich solange man sich den klassischen Betriebsarten widmet und kein Logbuchprogramm benötigt. Eine wirkliche Klasse für sich ist nun die Bedienbarkeit, das Design der „Frontplatte“ ist wirklich perfekt gelungen.
- 2 große VFO-Abstimmknöpfe, die Zuordnung (RX/TX) direkt darüber wählbar und farbig hinterleuchtet.
- Pro VFO ein NF-Regler und ein Regler zur Filterbandbreite/Lage
- Ein weiterer Regler für CW-Geschwindigkeit (bei SSB Mikrofonvorverstärkung) und Ausgangsleistung.
- Ein paar (ebenfalls beleuchtete) Taster sowie 3 (6) frei belegbare F-Tasten.
- Mehr als 50% der Fläche nimmt das sensitive LCD-Panel ein.
Aus meiner Sicht (und wohl auch aus der vieler Senioren) ist Flexradio bei der Bedienung ein ganz großer Wurf gelungen, vom PC aus wurde der 6500 seither nie mehr betrieben. Reduzierung der Bedienelemente auf das wirklich Notwendige, große und wertige Knöpfe, wenige beleuchtete Tasten.
Das Display ist ebenfalls sehr gut gelungen. Das Menu für die vielen Einstellmöglichkeiten ist intuitiv erreichbar und aufgrund der Displaygröße natürlich deutlich „ausführlicher“ Ebenso schnell sind hier Band/Betriebsartenwechsel und Frequenzeingaben über eine Telefontastatur respektabler Größe möglich.
Der Maestro mißt etwa 36 x 17 cm und ist nur 4 cm tief. Der Aufstellwinkel aus Metall ist perfekt für gute Ablesbarkeit und durch die geringe Tiefe ergeben sich völlig neue Möglichkeiten der Aufstellung . In meinem Shack steht der Maestro links von der Tastatur in einem Winkel von etwa 45 Grad. Optimal ablesbar, mit der linken Hand perfekt bedienbar ohne sich vorbeugen zu müssen und durch die geringe Tiefe nicht störend auf dem Stationstisch. Hinten gehen zwei dünne Kabel weg, Stromversorgung und LAN, die werden durch ein Loch im Tisch nach unten geführt. An der rechten Seite die Morsetaste, perfekte Ergonomie ohne große Klimmzüge.
Ich habe die oben beschriebene Combo mittlerweile in einigen Contesten getestet und bin sehr zufrieden. Mein Fazit:
- Der rx ist ist klasse, im A/B-Vergleich mit meinem K3 kann ich jedoch keine signifikanten Unterschiede feststellen. Beide Empfänger spielen sicherlich in der höchsten Liga. Ich werde demnächst den K3 auf das neue Frontend umrüsten und dann nochmals vergleichen.
- Das Bedienkonzept ohne Maestro (also mit PC) ist gewöhnungsbedürftig. Man kann sich sicherlich daran gewöhnen, für mich war es jedoch an bestimmten Stellen einfach suboptimal.
- Das Bedienkonzept mit Maestro ist wirklich außergewöhnlich gut gelungen, hier werden neue Maßstäbe gesetzt.
- Die Shackintegration (Bandpässe, Endstufen, Tuner, Antennenumschalter, etc) ist mit den USB-Anschlüssen des Flex einzigartig. Einfacher geht es nicht, ein dickes Plus!
Ein paar Bemerkungen zum Thema Remotebetrieb. die Kollegen in W sind über dieses Feature ja regelrecht verzückt. Ich kann das allerdings nicht so recht nachvollziehen. Zum Funken habe ich mein Shack und dabei wird es wohl auch bleiben. Die Vorteile des „Terrassen- oder Esszimmerfunks“ erschliessen sich mir nicht. Vielleicht mal im Sommer zur Bandbeobachtung 6m, aber sonst ?
Ich habe es trotzdem getestet. Maestro via WLAN verbunden, Taste und Kopfhörer am Maestro angesteckt. Hören geht wunderbar, habe keine Unterschiede ausmachen können. Geht man auf Sendung so nervt ein Mithörton, den ich so schlecht lange nirgends mehr gehört habe. Aber gut, man kann damit ohne lags und sonstige Behinderungen cw machen. Ein weiterer Test via UMTS-Stick im Auto funktionierte ebenfalls problemlos. Ich habe meine diesbezüglichen Versuche dann mangels Interesse eingestellt.
In Summe ein wirklich tolles und innovatives Gerät, incl. Maestro allerdings schon fast auf dem Niveau eines TS990, kein ganz preiswertes Vergnügen. Ein wenig verunsichert bin ich allerdings ob einiger Entwicklungspannen, sei es mit dem Maestro oder auch den mittlerweile nicht mehr ganz einfach zu beschaffenden Lüfter im Trx. Hier hat Elecraft ganz klar die Nase vorn.